Borgward Goliath GD – Drei Räder fürs Wirtschaftswunder

Borgward Goliath GD – Drei Räder fürs Wirtschaftswunder

Die Botschaft war schlicht und einfach: „Drei Räder helfen verdienen.“ So lautete das Motto eines Original-Werbepros­pekts für den Borgward Goliath GD, ein heute etwas kurios anmutendes Fahrzeug aus den 50er-Jahren. Doch der ein­gängige Slogan verfehlte seine Wirkung nicht. Schon bald sah und hörte man das dreirädrige Gefährt mit dem „tuckernden“ 14-PS-Zweizylinder-Zweitakt-Motor landauf, landab im Einsatz. Die Käufer schätzten vor ­allem den günsti­gen Preis von damals 3.475 D-Mark. Sparsam im Verbrauch, wurde der Borgward Goliath GD für unzählige kleine Handwerker und Händler ein unverzichtbarer Helfer im Alltag – und hat so das Wirtschaftswunder mit „ins Rollen“ gebracht.

Zusammen mit seinem Partner, dem Kaufmann Wilhelm Tecklenborg, gründete Carl F. W. Borgward 1928 die Firma Goliath-Werke Borgward & Co. Als erste Modelle wurden die dreirädrigen Entwick­lungen der Firma Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co. gebaut: Goliath Blitz­karren (2,2 PS) und ab 1931 der erste Personen­wagen, genannt Goliath Pionier, ebenfalls mit drei Rädern. Der „Pionier“ hat einen Einzylinder-Zweitakt-Motor der ILO-Motorenwerke mit 198 Kubikzenti­meter Hubraum und 5,5 PS im Heck, verfügte über ein Dreigang-Getriebe und Kardan­antrieb. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 60 Stundenkilometer. Die Karos­serie ist aus mit Kunstleder überzogenem Holz gefertigt und ruht auf einem stabilen Rahmen aus U-Profilen. Bis 1934 wurden zirka 4.000 dieser Kleinstwagen mit verschiedenen Karosserievarianten verkauft. 1944 zerstörten amerikanische Bomber das Werk, doch schon wenige Monate nach Kriegsende begann der Wiederaufbau, um zunächst Handwagen und Fahrradanhänger zu fertigen.

Geschichtsstunde

1949 brachte Goliath den Dreirad-Transporter GD 750 auf den Markt, der mit einem Preis von zunächst 3.425 D-Mark bei kleinen Gewerbetreibenden großen Anklang fand und schnell zu einem Verkaufs­erfolg wurde. Gefertigt wurde der Goliath GD zwischen 1949 und 1955. Dabei handelt es sich um einen Dreirad-Lieferwagen mit Zwei­zylinder-Zweitakt-Motor, 396 Kubik­zenti­meter Hubraum, 13 beziehungsweise 14 PS (die Angaben in alten Werks­unterlagen variieren), einer Maximalgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde, Viergang-Getriebe und Antrieb auf der Hinterachse. Letzteres war der signifikante Gegensatz zu den frontgetriebenen „Tempo“-Dreirädern.

Wahlweise und gegen Aufpreis war ein 465-Kubikzentimeter-Motor mit 15 PS ­erhältlich, mit dem 55 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit realisiert werden konnten. Der Wagen hat einen Dreiecks-U-Profilrahmen, das Vorderrad ist an einer ­geschobenen Schwinge aufgehängt, die Hinterräder an einer Starrachse. Der GD war als Pritschen- oder Kastenwagen sowie mit Kofferaufbau und mit verschiedenen Sonderaufbauten lieferbar. Die Typbezeich­nung deutete auf die Nutzlast von bis zu 750 Kilogramm hin. Im Jahr 1950 waren verschiedene Versionen erhältlich, die zum Teil deutlich differierende Preise hatten. Die Variante mit der kleinsten Hochlader­pritsche kostete 3.475 D-Mark, der Kombi­wagen schlug mit 4.300 D-Mark zu Buche und der „Spezialwagen für Viehtransport“ war für 4.805 D-Mark zu bekommen. Eine Heizung war zu einem Aufpreis von 65,– D-Mark ­bestellbar, hydraulische Bremsen kosteten 115,– D-Mark. Während der Jahre seiner Produktion wurde der Goliath mehrmals modernisiert und war bis zum Kon­kurs von Borgward fester Bestandteil des Firmen-Portfolios.

Vorbereitungen

Ursprünglich hatte ich mich einmal
auf Umbauten von Tamiya-Bausätzen spezialisiert und habe daher als „Tamymann“ ­einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Inzwischen hat sich im Laufe der Zeit mein Interesse immer mehr auf historische Nutzfahrzeuge aus der Wirtschafts­wunder­zeit verlagert. Oldtimer haben für mich ­einen besonderen Charme. Jeder für sich zeigt einen eigenen, ganz speziellen Charakter und ist etwas Besonderes. Besonders auch im Modellmaßstab, da es bis auf den Büssing 8000 und den Krupp Titan von Veroma keine weiteren Bausätze zu kaufen gibt und man somit auf sehr viel Eigenarbeit angewiesen ist. Doch genau ­darin liegt eine sehr schöne Herausfor­de­rung. Und ein typischer Vertreter aus den An­fangsjahren der Bundesrepublik Deutsch­land ist eben jener Goliath, der in diesem Bericht vorgestellt wird.

Als Grundlage für mein Modell dienten vor allem Bilder, die ich bei der für Modell­bauer inzwischen fast schon obligatorischen Recherche im Internet fand. Des Weiteren standen mir ein POLA-Modell im Maßstab 1:22,5 sowie Bücher von Bernd Regenberg zur Verfügung. Bei der Material­beschaffung kristallisierte sich dann das genaue Vor­haben heraus: Es sollte ein für die damalige Zeit typischer Goliath-Kasten­wagen ent­stehen. Zuerst wurden dann alle Maße des POLA-Modells abgenommen, in den Maßstab 1:16 umgerechnet und ein Bauplan gezeichnet. Leider war das Vorbild-Modell nicht ganz stimmig, sodass es vonnöten war, die im World Wide Web gefundenen Bilder auszudrucken, die Maße aus den Bildern zu entnehmen, so gut es geht umzurechnen und in meinen Plan einzuzeichnen.

Fahrgestell und Antrieb

Aus 2,5 x 7-Millimeter-Messing-Flach­material sowie 4-Millimeter-Rundmaterial lötete ich den Grundrahmen zusammen. Die spätere Vorderachse wurde in U-Form gefertigt und im vor­deren Bereich angelötet. Ein Diffe­ren­zialgehäuse aus dem Programm von AFV-Model bildete die Grundlage für meine Hinter­achse. Hier schnitt ich zuerst eine 3-Millimeter-Silberstahlwelle in der passenden Länge ab und steckte diese in das Diff-Gehäuse ein. Links und rechts lötete ich ein 5-Millimeter-MS-Rohr hinein und längte dieses in der passenden Achsbreite ab. In das kleine Zahnrad presste ich eine 2 Millimeter starke Silbers­tahlwelle ein, verklebte diese zusätzlich mit Industrie­sekunden­kleber und längte die Welle so ab, dass sie vorne zirka 10 Millimeter aus dem Differenzialgehäuse herausragt. Dort sollte später die Verbin­dung zum Antriebsmotor hergestellt werden. Jetzt nahm ich die eigentliche Achse und glühte die Enden aus, sodass ich bequem links und rechts ein M3-Gewinde einschneiden konnte, worauf später die Felgen montiert werden können. Damit die Achswelle sauber in dem Achsgehäuse laufen konnte, schnitt ich noch zwei 4-Milli­meter-MS-Rohrstückchen mit einer Breite von je 5 Millimeter und klebte diese in das Achsrohr hinein. Nun steckte ich die Silberstahlwelle in das Achsgehäuse ein, gleich darauf folgte das Kronenzahnrad und beide Teile wurden anschließend miteinander verklebt. Nach diesem Schritt durchbohrte ich Kronenzahnrad sowie Achswelle und versplintete diese beiden Bauteile mit einem Ein-Millimeter-Stahlstift.

Als Nächstes widmete ich mich der Achsaufhängung. Für die benötigten Feder­blätter schnitt ich mir 4 Millimeter breite Strei­fen aus einem Federstahl-Verpackungs­band, längte die Stücke passend ab und bog diese anschließend in der gewünschten Art und Weise zurecht. Aus Ein-Millimeter-MS-Blech, das mit je zwei Bohrungen versehen wurde, schnitt ich mir weitere acht Streifen, die später die Achsaufhängung komplettierten. Die ­vorderen Bleche verband ich fest mit dem Rahmen, die hinteren Bleche blieben jedoch beweglich, um somit den Längenausgleich der Blattfeder zu gewährleisten.

Platzmangel

Reifen und Felgen stammen ursprünglich von einem 1:16er-VW-Kübel-Bausatz der Firma Dickie-Tamiya. Von der Größe her waren sie optimal für meinen Goliath. Unter dem Messingrahmen befestigte ich ­ einen kleinen, fünfpoligen Monoperm-Getriebe­motor mit passender Untersetzung und als Kraftübertragung dient ein Stück Gummischlauch. Da das Fahrzeug nicht allzu schwer werden würde, reichte das völlig aus. Nachdem der Bauabschnitt Hinterachse zu einem erfolgreichen Ende gebracht worden war, fing ich an, die Bodengruppe und den Motortunnel auf die Bodenplatte aus Ein-Millimeter-MS-Blech zu löten. Jetzt konnte ich schon besser erkennen, in welchem Bereich sich das Vorderrad bei Lenk­bewe­gung befinden würde und wo ich das Lenkservo unterbringen könnte. Das Fahr­zeug ist sehr klein und jeder mögliche Platz musste daher sinnvoll ausgenutzt ­werden. Aus MS-Blech und einem 4-Milli­meter-MS-Rohr entstand die Vorder­achse. In die Vorder­radfelge klebte ich ein 4-Milli­meter-MS-Rohr als Lager hinein und schob dieses auf eine M3-Schraube auf. Zum ­ersten Mal stand der Goli nun auf eigenen Rädern. Allerdings wusste ich bis dato noch nicht, wo ich das Lenkservo unterbringen würde. Daher entschloss ich mich dazu, ­zuerst das Fahrerhaus und die Motohaube zu fertigen. Auf die schon vorhandene Bodenplatte lötete ich die Rück­wand, die Schweller sowie die Feuer­schutzwand.

Von einem 1:18er-Automodell entnahm ich ein passendes Dreispeichen-Lenkrad, aus einem alten Wecker ein Zahnrad, das jetzt einen Teil der Handbremse darstellt. Nun folgte das Dach, was eine der schwierigsten Aufgaben war. Hier schnitt ich mit zuerst eine Grundplatte aus, die ich direkt auf die Rückwand auflötete. Ein weiteres Blech – größer geschnitten als die Dach-Grund­platte – schnitt ich rundherum ein und bog die Kanten langsam in die spätere Dachform. Alle Schnitte schön verzinnt und wieder abgeschliffen, konnte das Dach auf seine Trägerplatte aufgelötet werden. Durch die Trägerplatte war es wesentlich einfacher das Dach an der Rückwand anzupassen. Aus zwei dünnen gebogenen MS-Streifen lötete ich nun die beiden A-Säulen ein. Aufgrund eines Messfehlers stand das Dach jedoch zuerst zu schräg auf dem Fahrzeug, sodass ich beide A-Säulen erneuern und auch an der Rückwand einige Anpassungsarbeiten vornehmen musste. Das nennt man dann wohl Künstlerpech, aber Metall ist ja bekanntlich sehr geduldig.

Fingerspitzengefühl

Die Motorhaube fertigte ich aus einem Stück MS-Blech. Doch vorher musste ich mir zuerst eine Papp­schablone erstellen, die ich auf das Messingblech übertrug. Erst ­danach konnte ich die Haube ordentlich ­biegen. Aus 2-Millimeter-MS-Röhrchen und Ein-Milli­meter-MS-Draht entstanden die Gelenk­stü­cke der Motorhaube. Bei den Türen wähl­te ich eine andere Lösung. Dort lötete ich so genanntes Klavierscharnier­band ein. Nun standen die Aufkantungen auf der Motor­haube sowie die erforderlichen Lüf­tung­schlitze auf der Agenda. Als Regen­rinne ­lötete ich einen MS-Draht mit einem Milli­meter Durchmesser auf. Bei der Suche nach einer Heimstatt für Mini-Lenkservo und Anlenkgestänge wurde ich im vorderen Radkasten fündig. Es ging zwar sehr eng zu, aber mit einer Portion Geduld und Finger­spitzengefühl schaffte ich es, alle nötigen Teile unterzubringen.

Weiter ging es mit den Türen, die ebenfalls aus einem Stück MS-Blech geschnitten und in der Mitte mit einem MS-Rohr ­versteift wurden. Ein 0,5-Millimeter-Feder­stahl­draht und ein daran gelöteter Reißbrett­stift ergeben den Spiegel. Für die Tür­­ver­riegelung durchbohrte ich die Türen und lötete ein kurzes 2-Millimeter-MS-Rohr ein. Ein Ein-Millimeter-MS-Draht – zu einem Z gebogen – ergab den funktionsfähigen Griff. An der Innenseite des Türrahmens fehlte dann nur noch ein Anschlag, der ebenfalls aus einem Stück MS-Draht gefertigt wurde. Nun kam zum ersten Mal etwas Farbe ins Spiel. Das Chassis färbte ich nach dementsprechender Vorbehandlung in Schokoladen-Braun und das Fahrerhaus in Vanillepudding-Gelb.

Besonders gut gefiel mir der Goli wie bereits erwähnt als Kastenwagen. Daher baute ich einen Aufbau aus 2-Millimeter-Polystyrol-Platten. Die Zierleisten und Kotflügel stellte ich mit Viertelstäben aus Polystyrol (Evergreen) dar. Aus dem Sor­timent eines Puppenhausherstellers entnahm ich Scharnier­bänder, um die Türen des Aufbaus beweglich zu gestalten. Das Dach sollte zwecks Wartungs­arbeiten ­ab­nehm­bar sein, daher klebte ich eine Kons­truk­tion aus PS-Platten zusammen, die ähnlich ­einer Batterie­fach­ab­deckung einer Fern­be­dienung funktioniert. Auf ­diese PS-Platte klebte ich ein Balsa­holz­brett, welches ich mit einem Schwing­schleifer in Form ­brachte.

Winker statt Blinker

Neben einem Vierkanal-Empfänger im 40-Megahertz-Band von ACT europe verwende ich einen CTI-Thor-4-Fahrregler, ein CTI PS2BR sowie ein CTI PS4B. Diese Bauteile sind im Vergleich zu denen anderer Hersteller sehr klein, leistungsstark und ganz nebenbei noch ­kostengünstig. Da ich den Goli in einer Zeit ansiedeln wollte, in der es noch keine Blinker wie heute gab, sondern der Fahr­rich­tungs­wechsel per Winker angezeigt wurde, schnitt ich aus PS-Platten den eigentlichen Winker aus.
Dann bog ich mir aus ­einer 0,5 Millimeter dicken Messingplatte ein U-Blech, welches den Korpus des Winkers ergibt. Als Halter lötete ich 2-Millimeter-Messing­röhrchen an und durchbohrte das U-Blech durch die Halte­röhrchen. Nun nahm ich die eigentlichen Winker und fixierte diese beweglich in dem Winkerkorpus. In der Mitte des Aufbaus montierte ich nun ein Mikroservo. Über zwei Messingdrähte – je Winker einen – kann ich nun jeden Winker separat ansteuern und somit den Richtungs­wechsel ganz originalgetreu anzeigen. Dieses nette Extra ist gewissermaßen das i-Tüpfelchen auf einem, wie ich finde, ziemlich gut gelungenem Modellbau-Projekt.