Teamwork – Umbau eines Volvo FH12 Globetrotter 420
Beruflich beschäftige ich mich mit der Konstruktion und der Anfertigung von Museums-, Messe oder Architekturmodellen. Einen großen Teil meiner Freizeit verbringe ich „zum Ausgleich“ mit dem Bau von Oldtimern und RC-Panzermodellen in den Maßstäben 1:8 und 1:14. Jetzt könnte man fast den Eindruck bekommen, diese Konstellation ist vielleicht ein bisschen einseitig. Beruf und Hobby – ein und dasselbe? Diese Kombination war aber noch steigerungsfähig, was ich selber nicht für möglich gehalten hätte.
Dass nicht alle Familienmitglieder, vor allem die weiblichen, das Treiben ihrer Männer, Söhne oder Brüder nachvollziehen können, ist ja nun ein offenes Geheimnis. Ich denke da zum Beispiel an das verständnislose Kopfschütteln meiner Frau, wenn ich wieder einmal ihre Krimilektüre des letzten halben Jahres zu einem großen „Testgeländeberg“ zusammenlege, um die neuesten Verbesserungen an einem Leopard-Panzer oder dergleichen auszuprobieren. „Das Fahrwerk ist jetzt deutlich besser abgestimmt“, sage ich dann für gewöhnlich. „So, findest Du“, lautet die Standard-Antwort. „Ich kann da keinen Unterschied erkennen. Das Ding ist grün und laut. Ganz wie vorher.“ Bei allen Unterschieden, die sich in meiner Familie zwischen weiblichen und männlichen Denkweisen ab und an ergeben, muss ich eines offen zugeben: Mit uns Männern ist es nun wirklich nicht immer einfach. Ganz offensichtlich mussten mein Sohn und ich uns ein paar Neuerungen überlegen, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern.
Kettenreaktion
Und wie es eben manchmal so geht, hat ein unverhofftes Ereignis eine regelrechte Kettenreaktion ausgelöst. Der Testbericht über den neuen Scania R470 von Dickie-Tamiya in TRUCKS & Details 4/2007 sollte den Ausschlag geben. Anfangs war es nur so ein leichtes Prickeln in den Fingern, das schnell zu zwanghaften Aufenthalten im Hobbyraum führte, um sich anschließend zu einer richtigen Krankheit zu entwickeln. Höchst ansteckend und im weiteren Verlauf völlig unberechenbar wurden mein Sohn und ich vom „Truck-Virus“ befallen.
Die nötige „Medizin“ musste her. Und sie war gar nicht weit entfernt: Denn da war doch was! Hatte ich nicht zufällig schon einen Volvo von Dickie-Tamiya im Keller stehen? Nach der Suche zwischen einer Vielzahl von Modellen wurde ich fündig. Was sich im Laufe von 25 Jahren Hobby, Beruf und Sammeln so angehäuft hatte, war schon erstaunlich. Voller gespannter Erwartung wurde der Volvo in die Hobby-Werkstatt getragen und der Verpackungsinhalt begutachtet. Wie war es möglich, dass ein so schönes Modell einfach so im Keller liegen bleiben konnte?
Baubeginn
Also fingen wir gemeinsam an, den Inhalt der Beutel in Schachteln umzufüllen. Im Laufe der nächsten Wochen baute ich in jeder freien Minute an der Zugmaschine. Beim Dreigang-Getriebe wurden alle Gleitlager von Anfang an durch Kugellager ersetzt. Ebenso bei allen Achsen und den Lenkhebeln. Beim nochmaligen Durchsuchen des Kellers fand sich, um den Krankheitsverlauf noch zu verschlimmern, eine originalverpackte Tamiya-Multifunktions-Einheit. Die Faszination wurde täglich größer. In der Schachtel mit Servos fand ich noch zwei etwas ältere Exemplare von Multiplex. Der Servosaver passte perfekt. Des Weiteren erwiesen sich die ausgesuchten Typen als stark genug, um die Lenkung auch im Stand von einem Anschlag zum anderen zu bewegen. Der Scania-Test aus TRUCKS & Details war hierbei sehr hilfreich.
Das gesamte Lenkgestänge wurde umgebaut und erhielt massivere und spielfreie Kugelköpfe sowie eine stabilere Schubstange zwischen den Rädern. Die vorderen Radachsen wurden kurzerhand mit Epoxidharz im Achsschenkel verklebt. Aus Messing habe ich dann Abdeckscheiben gedreht, die das Kugellager zusätzlich schützen, dessen Freilauf sicherstellen und nach dem Anziehen der zentralen Polystop-Mutter für ein spielfreies und leichtgängiges Vorderrad sorgen. Der Original-Motor musste einem Truck-Puller von Carson Modelsport weichen. Für den Einbau der Multifunktionseinheit wurde ein bereits eloxiertes Alu-Blech zugeschnitten und mit Abstandshaltern aus der Elektronikschublade knapp über dem Antriebsmotor eingebaut.
Verschraubungen
Wir haben keine der von Dickie-Tamiya mitgelieferten Kreuzschlitzschrauben verwendet. Stattdessen wurde in alle zu verschraubenden Kunststoff- und teilweise auch in die Metallteile ein M2- oder M3-Gewinde geschnitten. Die Bohrungen entsprechen genau dem Kernlochdurchmesser für metrische Gewinde, sodass diese Arbeit ohne großen Aufwand bewerkstelligt werden konnte. Alle Bauteile sind daraufhin mit Rundkopf-Inbusschrauben verbunden worden. Dass ich diese Schrauben besonders gerne mag, ist wohl nicht zu übersehen. Aber ungeachtet der, wie ich finde, sehr schönen Optik lassen sich die Schrauben mit einem magnetisierten Inbusschrauber selbst an schwierigen Stellen einfach perfekt ein- und ausbauen. Die gesamte Montage ist so wesentlich einfacher. Einige Bauteile mussten obendrein mehrmals ab- und wieder angebaut werden. Hier hat sich diese Vorgehensweise sehr gut bewährt. Des Weiteren wurden fast ausschließlich verzinkte Polystopp-Muttern verbaut. Denn nichts ist schlimmer, als eine verlorene Mutter an einer schwer zugänglichen Stelle …
So wurde manch schöner Sonnentag zum Basteltag, da sich weder mein Sohn noch ich dieser wachsenden Begeisterung entziehen konnten. Die Frage der Lackierung stellte sich und wir entschieden uns für eine Kombination aus Blaumetallic- und Silbermetallic-Lack der Firma Berlac aus der Schweiz. Teile der Rahmenanbauten sowie die Druckkessel und das Gehäuse der Multifunktionseinheit wurden in einem selbst angemischten Anthrazit lackiert. Abschließend erhielten alle Bauteile noch einen Zweikomponenten-Acryl-Klarlack als Finish. Die gesamte Lackierung hat mehrere Tage in Anspruch genommen. Besonders mit den lösungsmittelhaltigen Lacken muss man bei Polystyrol besonders aufpassen. Das Material löst sich sehr schnell an und kann an der Oberfläche weich werden. Auch werden Lösungsmittel von diesem Material zwar schnell aufgenommen, dafür aber sehr langsam wieder abgegeben, was besonders bei Chrom- und Metallic-Effekten zu bösen Überraschungen führen kann. Diese zeigen sich dann in der Form von Störungen in der Pigmentierung, die auch erst nach einem Tag auftreten können.
Eine Acrylgrundierung auf Wasserbasis und mehrere dünne Lackschichten sowie Geduld und Ruhe sind hier gefragt. Das Ergebnis ist eine Lackierung, die genauso robust und widerstandsfähig ist wie bei einem echten Truck. Nach der Lackieraktion habe ich die Bauteile erstmal für einige Tage zum richtigen Durchtrocknen auf die Seite gelegt. Das gesamte Fahrzeug begann langsam, sein endgültiges Erscheinungsbild zu bekommen.
Beleuchtung
Der Zusammenbau der vielen glänzenden Bauteile machte jetzt besonders viel Spaß. Es ist halt doch etwas anderes als matte Tarnlackierungen. In der Stoßstange wurden die LEDs eingesetzt. Dabei habe ich vorher alle Kabel durch äußerst dehnbare Gewebeschläuche gezogen. Das schützt die Leitungen und hinterlässt eine ausgesprochen aufgeräumte Optik. An den Enden sind die Schläuche mit sehr kleinen Kabelbindern gesichert. Die Rückseite des Kühlergrills wurde mit extrem feinen Streckmetallmatten verkleidet, was der optischen Erscheinung sichtlich gut getan hat.
Bei Conrad Electronic bestellte ich zwei Rundumleuchten, die sofort nach Eintreffen auf dem Dach verbaut wurden. Diese Aktion wäre beinahe schief gegangen, denn das Bohren bereits lackierter Flächen ist nicht unkritisch. Es ist sinnvoll, sich über alle Fragen der Beleuchtung Gedanken zu machen, bevor man mit den Lackierarbeiten beginnt. Manchmal braucht man aber eben auch eine Portion Glück. Das Lichtspiel in den Heckleuchten habe ich mit kleinen SMD-LEDs verbessert. Natürlich sind das keine Fünfkammer-Leuchten, aber das vorhandene Ergebnis stellte mich dann doch zufrieden. Steigerungspotenzial ist bei Modellen im Allgemeinen und Trucks im Besonderen ja üblicherweise an vielen Stellen vorhanden.
Nebeneffekte
Die Beschäftigung mit der gesamten Beleuchtung dieses Modells hinterließ viel tiefere Spuren bei meinem Sohn und mir als gedacht. Trucks auf der Autobahn, bisher eine eher ungeliebte Notwendigkeit, wurden plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtet. „Schau mal, wie viele Lichter der auf der Seite hat“ oder „Solche Rückleuchten habe ich auch noch nie gesehen“ sind nur ein kleiner Teil der Kommentare meines Juniors. Ob Licht oder besondere Anbauten, ob Zwei- oder Mehrachser – alles wurde mit einem Mal interessant und nicht sofort wieder vergessen, sondern im Langzeitgedächtnis gespeichert. So kam es, dass wir beschlossen, uns von der Firma EBH zwei Lampenbügel zu bestellen. Als diese sehr sauber verarbeiteten Bauteile nach ein paar Tagen eintrafen, war die Begeisterung riesengroß. Ultrahelle Warmton-LEDs wurden mit lackisoliertem Fädeldraht verlötet, was etwas fummelig ist, sich aber auf das spätere Erscheinungsbild sehr positiv auswirkt.
Hierbei muss der Lack am Ende des Kupferdrahts erst mit einem zirka 400 Grad Celsius heißen Lötkolben weggebrannt werden, damit der Kupferdraht das Lötzinn annehmen kann. Wohl dem, der im Besitz einer Lötstation ist. Von einer blauen Litze wurde die Isolierung genommen, um den sehr dünnen Draht zu verstecken. Auf diese Weise kam auf das Dach und vor den Kühler je ein Lampenbügel mit vier Scheinwerfern. An den Seitenschürzen sind auf die gleiche Weise ultrahelle SMD-LEDs verbaut. Dabei ist die hintere ein Positionslicht und die vordere an den Blinker angeschlossen. Hinter schwarz lackierten Abdeckungen aus Acrylglas ist von der Technik außer den Steckverbindungen praktisch nichts mehr zu sehen.
Feintuning
Der Lautsprecher für den Sound ist mit dem gesamten dafür vorgesehenen Gehäuse eingebaut worden. Platzmäßig gerade noch machbar, ist der Klang durch den gedämmten Resonanzraum einfach deutlich überzeugender. Das geordnete Verlegen aller Kabel hat sich als deutlich schwieriger entpuppt, als ursprünglich angenommen. Dabei ist eine Vielzahl von Bauteilen nicht nur einmal auseinander und wieder zusammengebaut worden, bis alles meinen Vorstellungen entsprach. Bei all diesen Aktionen war natürlich der Junior mit großem Eifer dabei, was den Bau doppelt so schön gestaltet hat.
Zu guter Letzt haben wir schließlich beschlossen, einen Imagetruck meines eigenen Unternehmens daraus zu machen. Ein Freund versorgte uns mit einer schönen Auswahl an passenden Folienschriften und Logos. Für die Verarbeitung ist es wichtig, welche Folie zum Einsatz kommt. Hier wird zwischen Deko-Qualität und Hochleistungsfolien unterschieden. Die Ersteren lassen sich sehr einfach montieren, sind aber etwas dicker und nicht sehr elastisch. Das Hochleistungsmaterial ist beim Aufkleben schon etwas anspruchsvoller, lässt sich aber über enge Rundungen oder in kritischen Radien gut montieren. Auch sind die meisten dieser hochwertigen Folien sehr dünn und überlackierbar.
Heilungschancen?
Abschließend kann ich nur sagen, dass eine Heilung vom „Truck-Virus“ für meinen Junior und mich wohl in weiter Ferne liegt. Hier wird ein neues ärztliches Bulletin in einer der nächsten Ausgaben von TRUCKS & Details hoffentlich mehr Klarheit bringen. Der bisherige Krankheitsverlauf gibt jedenfalls wenig Hoffnung auf eine baldige Genesung. Aber das ist für uns beide absolut in Ordnung. Ob der „Lärm“ eines Lkw-Motors anstelle des „Getöses“ eines Panzers meiner Frau in Zukunft wenigstens ein kleines Schmunzeln entlocken kann, bleibt abzuwarten. Die Krimibücher jedenfalls haben deutlich größere Chancen, ohne Kratzer davon zu kommen.