Magicbus: International Harvester aus Kupferblech

Kennt eigentlich jemand diesen guten Film? Für mich ein Meilenstein der Filmgeschichte, für andere ein relativ ­unbekanntes Werk von Sean Penn. Die abenteuerliche Geschichte „Into the Wild“ über Christopher McCandless, der als Aussteiger sein jähes Ende im Magicbus in der Wildnis von Alaska fand, hat mich unglaublich fasziniert. Und da ich nicht nur auf gute Filme, sondern auch auf Truck-Wohnmobile abfahre, reifte in mir der Wunsch diesen Magicbus nachzubauen. Normalerweise orientiere ich mich bei der Gestaltung meiner Fahrzeuge nicht an realen Vorbildern. Ich lasse mir gerne den Freiraum, Karosserien, Design, und Größe so zu gestalten, wie es mir am besten gefällt. Beim Magicbus wollte ich eine Ausnahme machen. Obwohl ich mir auch hier einige Freiheiten genehmigt habe, die mit dem Vorbild nichts zu tun haben. Der Originalbus steht immer noch am ehemaligen Stempede Trial in der Nähe von Fairbanks mitten in der Wildnis. Also ab nach Alaska und am Vorbild Maß genommen? Wer kann sich das leisten? Zumal der Bus wirklich nur mit einigen Strapazen zu erreichen wäre. Also musste eine andere Lösung her. Bildmaterial Leichter gesagt als getan. Die Pläne vom International Harvester zu bekommen, vor allen Dingen in der Schoolbus-Version, ist heutzutage fast unmöglich. Über das Internet fand ich dann einen netten Mann in der Nähe von Fairbanks, der den Magicbus sehr gut kannte, da sein Vater diesen ehemaligen Schulbus als Minenarbeiter für ein paar Monate sein Zuhause nennen durfte. Dieser freundliche Herr versorgte mich mit ausreichend Bildmaterial um mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ganz so verbeult und schäbig wie das Vorbild sollte mein Bus jedoch nicht werden. Aber ordentlich Patina fehlt bei meinen Fahrzeugen eigentlich nie. Den Bauplan für das Modell habe ich mir also selbst konstruiert. Dadurch geht zwar etwas an Vorbildtreue verloren, wird aber dadurch um so origineller. Da ist er wieder: der Hobbykünstler. Natürlich stand ich wie bei jedem Projekt vor der gleichen schwierigen Aufgabe: Wie mache ich die Karosserie? Natürlich kann man in der Regel auf vorgefertigte Führerhäuser aus dem Handel zurückgreifen. Richtig interessant wird es jedoch, wenn der geplante Truck noch nicht mal als Modell zu erhalten ist, geschweige denn im richtigen Maßstab. Hier bleibt nur der Weg über die Eigenkreation. Die Möglichkeiten, dem neuen Modell eine ansprechende Außenhaut zu geben, sind zum Glück vielfältig, aber auch unterschiedlich anspruchsvoll. Mit die Aufwändigste, aber auch Interessanteste, ist wohl die des Blechtreibens über eine Positivform. Mit etwas Übung gelingt hier jedoch eine Karosserie, die nicht nur tiefe Unterschneidungen zulässt, sondern auch noch im Betrieb den ein oder anderen Rempler gut wegstecken kann. Grundform Wie bei der Kunststoff-Karosserie kommt man auch hier nicht um den Bau einer Grundform herum. Diese fertige ich in der Regel entweder aus Balsaholz oder, viel besser, aus einem Hartschaumblock, den es in jedem gut sortierten Künstlermarkt zu kaufen gibt. Beim Bau der Positiv-Form ist natürlich peinlich genau auf Symmetrie zu achten. Spätere Korrekturen an der gegossenen Positiv-Form sind zwar möglich aber nervig und zeitaufwändig. Die Grundform sollte eine sehr gute Oberflächenqualität haben. Idealerweise komplett abgespachtelt und im Finish mit feinen Schleifpapier abgezogen. Spätestens hier fallen einem die letzten kleinen Unebenheiten auf. Von der Grundform wird ein Latex-Abguss gemacht. Auch hier findet man im Künstlermarkt sehr gute Produkte, die schnell aushärten und sich anschließend wieder leicht von der Grundform trennen lassen. Auf jeden Fall sollte jedoch ein Formentrennmittel verwendet werden. Für die Grundform fertige ich extra einen Kasten an, in der die Form ausreichend Platz findet. Wichtig: hier auf jeden Fall darauf achten, dass die Karosserie auf jeder Seite mindesten 10 Millimeter (mm) Platz hat. Ein zu dünner Latex-Abguss kann sich später sonst verziehen. Nach dem völligen Aushärten der Latexform wird die Grundform vorsichtig wieder entfernt. Da man auf der viel zu weichen Grundform kein Blech treiben kann, brauche ich nun eine Positivform die äußerst stabil ist. Schon für 4,– bis 5,– Euro gibt es im Baumarkt kleine Zementsäckchen mit 1 Kilogramm Inhalt. Zement hat die tolle Eigenschaft, das er schnell sehr hart wird und nach völliger Durchtrocknung auch hohen Temperaturen problemlos stand hält. Auf dieser Positivform kann ich meine Karosserie problemlos bearbeiten. Blechauswahl Für ein gutes Resultat ist die Wahl des richtigen Blechs ganz entscheidend. Zu dickes Blech lässt sich nur mit Mühe um enge Kurven treiben. Zu dünnes Blech hat weder genug Stabilität noch hält es den hohen Temperaturen des anschließenden Hartverlötens stand. Ein Kupferblech mit einer Stärke von 0,3 bis 0,4 mm ist meiner Erfahrung nach ideal um ordentliche Karosserien anzufertigen. Vor dem Treiben des Blechs sollte dieses gut mit dem Bunsenbrenner durchgeglüht und anschließend abgeschreckt werden. Dadurch wird das Blech schön weich und lässt sich besser verarbeiten. Hier sollte man nicht vergessen, dass man mit einer sehr heißen und offenen Flamme hantiert. Also bitte: Feuerlöscher bei Fuß! Zum Treiben des Blechs verwendet man einen Polier- oder Treibhammer. Mit kleinen Schlägen wird nun das Blech um die Positivform getrieben. Am besten arbeitet man sich hierbei von der Mitte des Blechs zum Rand hin. Etwas schwierig ist das Fixieren des Blechs auf der Positivform. Sind aber die ersten Kurven ordentlich ausgearbeitet, fixiert es sich fast von selbst. Wenn die Rundungen zum Beispiel am Kotflügel zu stark sind, kommt man um ein Zwischenglühen und anschließendes Abschrecken des Blechs nicht herum. Einen ganzen Kotflügel mit extremen Unterschneidungen aus einen Stück zu Formen ist praktisch unmöglich. Hier empfiehlt es sich, Einzelteile anzufertigen die anschließend mit Hart- oder Weichlot zusammen­gelötet und verschliffen werden. Um eine optimale Passform, zum Beispiel von der Motorhaube zu erreichen, schneide ich bewegliche Teile hinterher aus der kompletten Blechform heraus. Die fertige Karosserie muss jetzt nur noch verspachtelt und lackiert werden. Das Fahrgestell des Magicbusses besteht aus Aluprofilen aus dem Baumarkt. Natürlich stilecht mit 1,4-mm-Schrauben zusammenmontiert. Aus diesen Profilen lassen sich auch sehr gute und stabile ­Vorderachsen gestalten. Die Blattfederung sowie das Diffe­renzial stammen von robbe und gehören damit zu den wenigen Teilen, die ich für dieses Modell nicht selber angefertigt habe. Den Unterboden forme ich aus einer großen Aluminumplatte. Leider hat das Differenzial einen recht großen Durchmesser. Aus diesem Grund hat der Unterboden bei der Hinterachse eine leichte Erhöhung damit ein ausreichender Federweg erhalten bleibt. Nach der Montage des Bodens auf das Fahrgestell stehen die nächsten Karosserieteile auf dem Programm. Die Seitenteile mit den Fenstern machen hier natürlich die wenigsten Probleme. Sehr viel anspruchsvoller sind das Führerhaus und die Heckpartie. Diese treibe ich komplett aus einem einzigen Kupferblech über die Positivform. Hier muss man speziell bei den Radien darauf achten, dass diese sich nach der Montage auf dem Fahrgestell auch in der Flucht befinden. Die Einstiegstür vorne besteht aus zwei durchsichtigen Kunststoffteilen, die mit sehr dünnem Kupferblech beklebt wurden. Verbunden sind diese Teile mit zwei selbstgemachten Klavierleisten, damit die Tür auch zu öffnen ist. Bei der hinteren Tür, die sich auf der Fahrerseite befindet, sind normale Scharniere verbaut. Platz-Kompromiss Die Anfertigung des abnehmbaren Dachs stellt die letzte große Herausforderung bei der Karosserie dar. Um dieses leichter in Passung zu bringen und später auch leicht wieder abheben zu können, habe ich auf den Seitenteilen Messingprofile angesetzt. Diese haben außerdem den Vorteil, dass sie den Flanken zusätzliche Stabilität verleihen. Elektronisch hat das Modell nicht ganz soviel zu bieten. Außer den üblichen Fahrfunktionen ist der Bus nur noch mit einem Beleuchtungsmodul ausgestattet. Somit funktionieren neben den Fahr- und Rücklichtern auch die Bremslichter und Blinker. Eine LED habe ich hinter das Armaturenbrett installiert, damit dieses auch bei Nacht gut ablesbar ist. Das Modul für die Beleuchtung ist auf der Beifahrerseite untergebracht und über eine Bodenklappe erreichbar. Auf der anderen Seite befindet sich eine Klappe, durch die man problemlos den Akku einsetzen kann. Durch die Höhe von Modul und Akku musste ich beim Innenraum einen Kompromiss eingehen. Der Vorbildbus verfügt über einen glatten Innenraumboden. Bei meinem Modell musste ich die Seiten etwas erhöhen um den notwendigen Platz für die Elektronik zu schaffen. Diese Abweichung vom Vorbild habe ich versucht mit einem schön gestalteten Innenraum einigermaßen zu verbergen. Wie bei jedem meiner Modelle lege ich auch beim Magicbus einen großen Wert auf einen detaillierten Innenraum. Anhand der Fotos kann ich hier die Abstände zwischen den einzelnen Einrichtungsgegenständen abschätzen. Für die Innenverkleidung der Karosserie habe ich Kunststoffplatten verwendet, die leicht zu verarbeiten sind und sich so perfekt an den Wänden montieren lassen. Der Innenboden wird mit einer Leinwand ausgelegt, die ich aus einem alten Keilrahmen geschnitten habe. Bei den einzelnen Einrichtungsgegenständen greife ich auf eine Vielzahl an unterschiedlichen Materialien zurück. Ein kleiner Schrank wird aus Balsaholz gefertigt, das Besteck aus dünnem Alublech, verschiedene Verpackungen aus Papier oder ein Ofen aus dem schon bekannten Kupferblech. Natürlich habe ich diesen auf seine Funktion überprüft. Heizen tut er super, nur die Asche bekommt man anschließend nicht mehr so gut aus dem Ding. Das Loch im Dach für den Rauchabzug schneide ich natürlich erst aus, wenn der Ofen an seinem zukünftigen Platz installiert ist. Bei den Kleinteilen gilt es, sich genau zu überlegen, welches ­Material für das jeweilige Detail am besten in Frage kommt. Für kleinere Gegenstände mit einfachen Formen, beispielsweise für den Koffer, der auf einem der Schränke zu finden ist, fertige ich eine Form an, über die ich dann eine erhitzte Kunststoffplatte tiefziehe. Detaillierung Um den Bettrahmen eine gewisse Stabilität zu geben, verwende ich hierfür Messingprofile, die ebenfalls verschraubt werden. Als Matratze dient ein Küchenschwamm aus dem Supermarkt, der zugeschnitten und mit einem Stoff überzogen wird. Auf den Ausstellungen, die ich mit meinen Modellen besuche, sind die Gäste immer von den kleinen Büchern begeistert, die in meinen Modellen zu finden sind. Dabei ist die Herstellung eines solchen Buchs denkbar einfach. Ich bearbeite einfach eine 2 mm dicke Kunststoffplatte solange, bis diese die Form eines aufgeschlagenen Buchs hat. Aus bedrucktem Papier wird dann einfach ein Umschlag angeklebt. Für die Innenseiten suche ich mir interessante Vorlagen aus dem Internet, die anschließend klein kopiert und ausgeschnitten werden. Für den wirklich schlampig aussehenden Boden habe ich mir aus schwarzer Farbe, Schleifstaub, Holzresten und ähnlichen Abfall eine dünnflüssige Pampe gebraut, die ich großzügig im Innenraum verteilt habe. Auch bei der Gestaltung der Armaturen habe ich mir den Freiraum gelassen, dieses so zu gestalten, wie ich es am sinnvollsten halte. Dieses konstruiere ich natürlich erst mal am Computer. Ein dünner Messingstreifen dient mir anschließend als Tachonadel, die auf den Ausdruck einfach aufgeklebt wird. Aus einem dünnen PVC-Kunststoff wird dann passgenau die Glasabdeckung geschnitten. Im Armaturenbrett habe ich natürlich einen Ausschnitt gefräßt, damit die Armaturen hinterher auch gut beleuchtet sind. Sowohl beim Innenraum als auch auf der Außenlackierung befinden sich beim Originalbus jede Menge Spuren aus den vergangenen Jahrzehnten – vom Rost ganz zu schweigen. Also erst einmal das eigene Farbarchiv durchwühlen, ob sich unter den vielen Farben nicht die geeigneten Mittel finden, um dem Bus die entsprechende Optik zu verpassen. Erster Erfolg: Das völlig vergilbte Blau-Türkis mit dem der Bus auf der unteren Hälfte lackiert ist, lässt sich aus vorhandenen Airbrush-Farben ziemlich gut zusammen mischen. Überall schimmert auf der Vorbildkarosse das alte Gelb aus den Schulbuszeiten durch, das natürlich nicht vergessen werden sollte. Die richtige Rostfarbe zu finden, ist immer schwierig, zumal Rost ja erst in unterschiedlichen Farbfacetten richtig echt wirkt. Seit Jahren behelfe ich mir hier mit einer Eisengrundierungsfarbe und einem Oxidationsmittel. Schon nach kurzer Zeit verrostet die Eisengrundierung und aus dem frischlackierten Gefährt ist eine schäbige Rostlaube geworden. Etwas vorsichtig sollte man mit dieser Methode sein, wenn sie auf Aluminiumteilen angewendet wird. Das Alu reagiert mit dem Oxidationsmittel. Dadurch kann die Oberfläche etwas rauer und pickeliger werden, was, je nach Modell, aber auch ein interessanter Effekt sein kann. Abweichungen Wie auch beim Vorbild, so befinden sich auch bei meinem Modell weder Scheibenwischer noch Rückspiegel. Scheinbar hat man den Bus, bevor man ihn in die endlose Wildnis geschleppt hat, noch vorher von allem einigermaßen Brauchbaren befreit. Das spart mir bei meinem Modell zusätzliche Arbeit. Dafür wollte ich ein paar andere Details am Fahrzeug anbringen, die sich so auch am Vorbild befinden oder befunden haben. Da wäre zum Beispiel ein handgeschriebener Zettel an der vorderen Einstiegstür, ein Hilferuf den McCandless kurz vor seinem Tod dort angebracht hat. Die Gedenktafel, die seine Eltern am Bus anbringen ließen, befindet sich daneben auf der Seitenfläche. Diese habe ich mir bei einem Gravurstudio lasern lassen. Noch zum Schluss ein paar kleine Tipps: Stilecht sollte man die Blecheinzelteile natürlich nicht kleben, sondern nur verschweißen oder verschrauben. Dadurch erhält so eine Karosserie einen einzigartigen Charakter. Die meisten Materialien, die ich für den Bau meines Busses verwendet habe, lassen sich für wenig Geld besorgen. Ausnahme sind hier sicher die feinmechanischen Teile, wie Schrauben oder Scharniere, die zuhauf im Modell verbaut sind. Noch viel besser ist das „Zweckentfremden“ von alten Verpackungsmaterialien. Tiefgezogene Kunststoff-Inlays aus Pralinenschachteln waren schon oft die Rettung in der Not, wenn es darum ging kleine Teller, Aschenbecher oder ähnliches anzufertigen. Viel Geduld und Zeit ist natürlich eine Voraussetzung, um ein solches Projekt umzusetzen. Für meinen Bus habe ich fast ein Jahr gebraucht. Das gute Stück ist mittlerweile fertig und hat die versprochene Patina bekommen. Eine Testfahrt durch Alaska wäre eigentlich fällig. Aber da es dazu wahrscheinlich sowieso nicht kommen wird, muss der Bus wohl auf einen Tramper aus Deutschland warten, der anspruchslos genug ist, sich mit der spärlichen Inneneinrichtung zufrieden zu geben.