Volljährig: Muldenkipper aus einer anderen Zeit

In TRUCKS & Details-Ausgabe 1/2008 habe ich einen Tieflader auf Bruder-Basis aus meinem Modell-Fuhrpark vorgestellt. Und dabei erwähnte ich natürlich auch die MAN-Zugmaschine, die diesen Hänger in Bewegung setzen sollte und die ich einst zu meinem Eintritt in die IG-Rems-Murr gebaut hatte. Schon damals ein Oldie mit stolzen 12 Jahren auf dem Buckel, der inzwischen gewissermaßen volljährig geworden ist. Das Fahrzeug steht exemplarisch für eine Modell-Generation, die noch ohne „Hightech-Komponenten” und heute selbstverständliche Elektronik auskommen musste. Zum 18. Geburtstag möchte ich Ihnen heute diesen Muldenkipper aus einer anderen Zeit präsentieren. Der Truck entstand zu einer Zeit, in der wir Funktionsmodellbauer noch nicht auf hochmoderne, computergesteuerte Maschinen oder einen riesigen Fundus von kleinsten elektronischen Bauteilen zurückgreifen konnten. Damals war vielleicht noch alles ein wenig massiger, weniger vollkommen und zum Teil nicht ganz so perfekt wie heute. Allerdings überzeugten die Trucks durch einen ganz eigenen Charme und Charakter. Es sei an dieser Stelle aber auch nicht verschwiegen, dass sich der MAN vor wenigen Jahren der einen oder anderen Schönheitsoperation unterziehen durfte und ein neues Führerhaus und Anbauten wie aktuelle Luftfilter von Bruder spendiert bekam. Die Elektronik hingegen ist noch im Originalzustand. Hier handele ich nach dem Motto: Never change a running system. Rohkraft Der Antrieb, die Vorder- und Hinterachsen und das achtpolige Wendelkabel für den elektrischen Muldenkipperanschluss stammen von WEDICO, in der schwarzen Werkzeugkiste ist der Rohkraft 100-Fahrregler von robbe eingebaut. Sämtliche ­Platinen habe ich selbst gelötet und entworfen, es kamen auch noch Relais zum Einsatz, die wiederum viel Platz benötigen. Vor dem Lenkservo ist auch eine selbstgefertigte Platine eingebaut, welche das Licht in den Dachlampen, das Fernlicht samt Lichthupe ansteuert. Offen gestanden fällt es mir heutzutage auch immer schwerer, die Grundprinzipien der Elektronik „Marke Eigenbau“ immer und jederzeit auf Anhieb korrekt zu überschauen. Man ist halt so an die kompakten Fertig-Komponenten gewöhnt, dass der Selbermach-Faktor schon ein wenig leidet. Im Silber-lackierten Tank steckt ein Festspannungsregler mit 5 Volt für den BEC-Anschluss des Fahrreglers. Unter dem Dach des Fahrerhauses ist eine weitere Platine installiert, die zum Schalten der Dachwarnlampen mit Blinkfrequenz und Warnblinkfunktion benötigt wird. Dachlampen und Fanfarenhörner sind im Übrigen aus Alu selbst gedreht. Der Einbau von gelben LED und deren Anschluss bei wenig Platz erforderte einiges Geschick, da die Dioden keinen Kontakt zu den Alu-Hörnern haben dürfen. Wie an der Frontseite zu erkennen, sind dort als Abblendlicht helle LED (12 Volt) von robbe eingebaut, die über eine Platine so geschaltet sind, dass sie bei Fernlicht etwas mehr Spannung erhalten, um heller zu leuchten. Verbindung Auch der Aufbau hinter dem Fahrerhaus dient, anders als zu vermuten wäre, nicht nur zur Aufnahme des Fahrakkus, er ist ebenfalls mit selbstgebauter Elektronik vollgestopft. Der Aufbau wurde aus 5-Millimeter-PVC-Platten gefertigt und verschraubt, der Deckel ist so gefräst, dass er nur aufgesetzt werden muss. Die Dachwarnlampen sind zwischen dem Führerhaus und dem Aufbau auf einem eingepassten PVC-Halter aufgesetzt und ein Reserverad wurde auch gleich rechts in den Halter integriert. Die elektrische Verbindung von der Zugmaschine zum Hänger findet über die achtpolige WEDICO-Buchse statt und ist so ausgeführt, dass sowohl der bereits erwähnte Tieflader als auch der im Folgenden vor­gestellte Muldenkipper mit Strom für die Beleuchtung, Blinker, Warnblinkanlage und das Signal zum Kippen versorgt wird. Das Fahrgestell und die hintere Stoßstange des Lkw wurden aus Aluwinkeln und Aluprofil gefertigt, die beiden Halter für die Stoßstange sind aus Alu gefräst. Die Beleuchtung besteht aus 5-Millimeter-LED. Die Kotflügel wiederum sind aus 2-Millimeter-PVC-Platten gefertigt, die Kanten wurden abgerundet und mit einem Heißluftfön erhitzt, um sie anschließend um ein Alu-Rundmaterial zu biegen, damit der richtige Radius entsteht. Die Halter hierfür sind ebenfalls aus PVC gefertigt. Zuerst wurde ein M4-Außengewinde angedreht, um sie mit einer M4-Mutter an dem Fahrwerk zu befestigen. Danach habe ich die Form gefräst, in die Kotflügel Gewinde geschnitten und alles mit M3-Schrauben fixiert. Dornröschenschlaf Der Kipper schlummerte einige Jahre im Keller, bis er die endgültige Form und Farbe erhalten hat. Das Fahrwerk wurde ebenfalls aus Aluwinkeln und Aluplatten gefertigt, die Maße richtete ich entsprechend dem Maßstab 1:16 aus. Die Standardbreite des Fahrwerks ist 60 Millimeter, die Länge 550 Millimeter. Auf den Bildern kann man ganz gut erkennen, wie der Antrieb funktioniert. Die Verbindungsgelenke sind aus Messing gefertigt, dies erleichtert die Gleiteigenschaften in den Aluprofilen. Die Messingwelle ist ausgebohrt, um die Gewindespindel aufzunehmen. Der dickere Gewindeteil ist durch einen Zylinderstift zur Mitnahme der Messingwelle verbunden. Diese Verbindung der Messingwelle kann dadurch auch von Hand auseinandergezogen werden, somit kann die Mulde jederzeit hochgehoben werden. Angetrieben wird die Welle über ein Kardangelenk und durch einen Faulhaber-Getriebemotor, der auch bei voller Beladung die erforderliche Kraft aufbringt. Der Kunststoffteil des Kardangelenks hält der Belastung kaum stand, deshalb habe ich darüber eine Messingbüchse als Verstärkung angepasst. Die Kippfunktion ist durch Endschalter sowohl für oben als auch unten begrenzt, um die Gewindespindel und den Getriebemotor zu schützen. Die Halterung für den Getriebemotor ist aus Alu gefräst, die Füße bestehen aus 8-Millimeter-Vierkant-Alu, der Rest ist aus PVC. Unter den Achsen befindet sich eine zusätzliche Schaltplatine, wieder Marke Eigenbau und wie schon erwähnt mit Relais-Technik, die zur Steuerung des Getriebemotors dient. Hier sieht man exemplarisch, was im klassischen Modell-Bau technisch machbar, heutzutage aber komplett überflüssig ist. Denn aktuell reicht für all diese Funktionen ein einziger Fahrregler aus. Aber irgendwie ist es gut zu wissen, dass man auch ohne moderne Zukaufteile könnte, wenn man müsste. Die Mulde Doch nun endlich zur eigentlichen Mulde. Sie ist aus 8 Millimeter dicken PVC-Platten gefertigt. Das Material ist einfach zu bearbeiten, recht robust und dennoch nicht allzu schwer. Der Kippmechanismus wurde an zwei Aluleisten beweglich befestigt, welche an der Grundplatte von unten verschraubt wurden. Die Aussparungen an den Seitenteilen sowie der hinteren Klappe an den PVC-Platten sind sogar schon an einer CNC-Fräsmaschine entstanden. Ansonsten wäre eine solche Präzision aber auch kaum möglich gewesen. Die gefrästen Platten wurden einfach zusammengeschraubt. Die hintere Klappe ist an zwei Lagerböcken gehängt. Diese wiederum sind von oben mit den Seitenwänden verschraubt, anschließend wurden Schrauben in die Lagerböcke eingedreht, an denen vorne ein Durchmesser und in der Klappe entsprechende Bohrungen angebracht sind, sodass die Klappe sauber pendeln kann. Die Kotflügel und deren Halterungen sind genauso gefertigt wie für die Zugmaschine, nur dass die Kotflügel geteilt wurden. Die Stoßstange ist analog zur Zugmaschine gefertigt, lediglich eine abgeschrägte Platte aus Kunststoff wurde noch darauf gesetzt. Die Aufkleber wurden am Rechner selbst gefertigt, mit einem Klebestift aufgeklebt und anschließend mit Tesafilm überklebt, was eine glänzende Optik verleiht. Bei der anschließenden Lackierung musste beachtet werden, dass PVC zuerst grundiert werden sollte. Darauf folgt der Decklack, in meinem Fall habe ich Felgensilber verwendet. Zum guten Schluss ist es absolut ratsam, noch einen Klarlack aufzutragen. Das schützt die Farbe und erleichtert die Fahrzeug-Reinigung. Aus meiner Sicht ist es immer wieder positiv, sich auf „alte Modellbau-Zeiten“ zu besinnen. Denn man kann dabei lernen, was mit wenig finanziellem Aufwand und dem richtigen Knowhow alles möglich ist. Tüfteln, Ausprobieren und Selbermachen: Für mich sind das wichtige Dinge, die einen großen Teil der Faszination Funktionsmodellbau ausmachen. Und wenn man sich dennoch dafür entscheidet, auf moderne Komponenten und Hightech zu setzen, dann ist das natürlich genauso gut. Hauptsache, jeder hat Freude an unserem tollen Hobby.