Geschichtliches – MAN F90 Abrollkipper im Eigenbau

Geschichtliches – MAN F90 Abrollkipper im Eigenbau

Es war einmal …, so beginnen fast alle Märchen, aber so kann man auch anfangen, wenn man von dem eigenen Modelltruck redet. Es war einmal soweit gekommen, dass ich den Reiz an „normalen“ Truck-Modellen verloren hatte. Die einfachen Funktionen reizten mich nicht mehr. Schnell wurde klar, dass nur noch Baufahrzeuge in Frage kommen, da diese Gefährte mehrere Funktionen bieten. An dem hier vorgestellten Modell, dem MAN F90, wurde nicht sehr viel selbst hergestellt, auch legte ich nicht viel Wert auf Details. Trotzdem ist der MAN F90 das Modell mit der bis heute längsten Bauzeit von knapp drei Jahren.

Nachdem festgelegt war, dass es ein Baufahrzeug werden soll, wurden die ersten Wünsche in das Lastenheft eingetragen: MAN F90, Drei-Achs-Modell, Dreigang-Getriebe, Allrad-Antrieb.

Der Antrieb

Da der Bau des Fahrzeuges schon einige Jahre zurück liegt, tat sich mit dem Wunsch nach einem Allrad-Antrieb das erste große Problem auf: Woher bekommt man eine angetriebene Vorderachse? In einer Fachzeitschrift für Modelltrucks stieß ich auf eine Anzeige einer neuen Firma: „Angetriebene Vorderachse auf Wedico-Basis“. Bei einem Telefonat mit dieser Firma wurde ich schnell und freundlich darüber aufgeklärt, dass man die Alu-Achsen von Wedico als Grundlage nimmt und daraus eine Vorderachse anfertigt. Auch ein Verteiler-Getriebe, das genau in das Dreigang-Getriebe passte, hatte man im Programm. Die Firma, die damals keiner kannte, hieß Oßwald & Michalik, heute Oßwald Modellbau.

Achse und Verteiler-Getriebe wurden geliefert und schon waren die ersten Teile für das Baufahrzeug zusammen. Nach und nach wurden noch folgende Teile beim Wedico-Händler angefordert: Zwei Alu-Achsen, Federn für drei Achsen, ein Dreigang-Getriebe, ein Vorschalt-Getriebe und ein Doppelmotor. Von Conrad kamen zehn Geländereifen dazu und von Stahl-Modellbau die Kardangelenke und Alu-Felgen. Die dazu passenden Naben wurden selbst hergestellt, und schon war der Antrieb fertig.

Das Fahrerhaus

Das Wedico-Fahrerhaus und die Zusatz-Ausstattung waren schnell bestellt und montiert. Eine kleine Besonderheit sollte das Fahrerhaus bekommen: Der Dachspoiler ist mit einer Airbrush-Lackierung versehen.

Der Aufbau

So langsam wurde es Zeit, sich Gedanken zu machen, was man hinten auf dem Modell haben möchte – etwas mit Hydraulik sollte es schon sein. Der Zufall hat hier vorläufig geholfen, als auf einer Baustelle in der Nähe ein MAN-Dreiachser-Muldenkipper zum Einsatz kam. Bereits am Abend wurde der Muldenkipper mit Zylinder bei der Firma Stahl bestellt, die Hydraulikpumpe kam abermals von Wedico. Am nächsten Tag wurde begonnen, das Modell aufzubauen, nur um es ein Jahr später jedoch schon wieder zu zerlegen, da sich recht bald herausstellte, dass dieses Fahrzeug nicht das war, was meinen Vorstellungen entsprach.

Den Muldenkipperaufbau konnte ich an einen Modellbaukollegen verkaufen, nicht ohne Verlust zwar, aber so war ich frei für neue Ideen.

Der Abrollkipper

Nach einigen schlaflosen Nächten und vielen Stunden über diversen Katalogen stand schließlich fest, dass ein Abrollkipper gebaut werden sollte, da dies ein sehr universell einsetzbares Fahrzeug ist. So wurde bei der Firma Stahl diesmal ein Abrollkipper-Aufbau mit zwei Schlitten bestellt.

Die Rahmenlänge des Abrollkippers betrug 540 Millimeter, und so wurde begonnen, aus Meterware die Länge abzuschneiden und die meisten Bohrungen zu tätigen. Für das U-Profil verwendete ich zwar das Originalprofil, jedoch als Meterware. Der Rahmen konnte dann selbstständig hergestellt werden, indem ein alter ausgemusterter Original-Wedico-Rahmen als Bohrschablone diente. Anschließend wurden die Getriebe eingebaut. Die Aufhängung der Vorderachse wurde bereits im Vorfeld so geändert, dass die Achse an einem doppelten Federpaket aufgehängt werden konnte. Zwischen Federn und Achse musste ein zehn Millimeter langes Messingröhrchen eingesetzt werden, wodurch das Fahrerhaus die Höhe erreichte, die bei Allrad-Fahrzeugen üblich ist. Die Hinterachsen wurden nicht mit normalen Federpaketen, sondern an ein Pendelachssystem aufgehängt.

Der nächste Schritt war das Lenkservo. Auch hier musste einiges verändert werden, denn ein normales Servo mit einer Leistung von 55 Newton reicht bei einem Allrad-Fahrzeug im Gelände definitiv nicht aus. Zumal auch kein Ausgleich zwischen Vorder- und Hinterachsen über ein Differenzial vorhanden ist. Nach intensivem Katalogstudium wurde schließlich ein Servo mit 85 Newton Leistung von Graupner in Standard-Baugröße ausgewählt und eingesetzt. Da das Fahrerhaus schon zusammengebaut war, musste es schließlich nur noch mit zwei Schrauben am Rahmen befestigt und die Verriegelung angeschraubt werden.

Nachdem die Akkus provisorisch eingesetzt und der Fahrtenregler mit Kabelbindern angestrapst waren, konnte die erste Probefahrt gestartet werden. Und es wurde die längste Probefahrt, die ich je unternommen hatte. Über eine Woche lang, jeden Tag auf’s Neue und nachts die Akkus laden, so viel Spaß hat das Fahren gemacht.

Anschließend wurde begonnen, den Abrollkipper zusammenzubauen, wofür man das Modell ja nicht braucht, da später die komplette Einheit mit Pumpe und Ventilen mit drei Schrauben auf dem Rahmen befestigt werden kann. Auch hierbei gab es keine Schwierigkeiten – alles passte ganz genau. Probleme traten erst auf, als die Anlage entlüftet werden musste – dafür sollte man besser vorher sehr genau die Bedienungsanleitung lesen oder sich von jemandem helfen lassen, der Ahnung hat. Mein T-Shirt jedenfalls taugte danach nur noch als Putzlumpen.

Um die seitlich angebrachte Hydraulikpumpe und den Ventilblock vor Schmutz zu schützen, dient eine nachträglich angebrachte Verkleidung aus Alublech. Anschließend kamen die Schlitten dran. Mindestens 20 gute Ideen mit möglichen Aufbauten spukten in meinem Kopf herum, doch bis heute bin ich noch bei der ersten stecken geblieben. Es sollten zwei ganz einfache flache Mulden werden. So wurden die Alu-Platten zurecht geschnitten, gekantet und vorne ein Stirnblech eingesetzt. Hinten wurde noch eine Klappe hinzugefügt und die Baugruppe war vervollständigt. Dummerweise stellte sich heraus, dass die Klappe sich ständig öffnete, wenn man die Mulde auf’s Fahrzeug ziehen wollte. Nachdem viele Ideen ausprobiert wurden, blieb zum Schluss folgende Variante übrig: In den Abrollkipper wurde hinten ein Mini-Servo eingebaut, um damit die Klappe zu öffnen beziehungsweise zu verriegeln. Die Firma Stahl hatte übrigens kurze Zeit später eine ähnliche Methode angeboten.

Nach einiger Zeit wurde die Klappe aber wieder ausgebaut, da das System für meine Zwecke zu empfindlich war. Wenn man die Mulden im Sand oder auf Erde absetzt, dringt der Dreck in die feine Mechanik und blockiert diese – das Spielvergnügen bleibt folglich schnell auf der Strecke. So wurden neue Mulden gebaut, die diesmal hinten offen waren. Wenn man nun die Erde oder den Sand vom Baggerfahrer, wie im Original, kurz andrücken lässt, klappt es auch so. Und als Nebeneffekt können so auch kleinere Fahrzeuge in die Mulde hineinfahren.

Die Elektrik

Im Gegensatz zur vorstehenden Mechanik ist die Elektrik weitestgehend selbst gebaut. In meinen Modellen werden nur Sechs-Volt-Lampen verbaut, von denen zwei in Reihe geschaltet bekanntlich zwölf Volt ergeben. Die RC-Anlage hat ein Nautic-Modul, über das man ganz einfach die Lampen ein- und ausschalten kann. Die meisten Nautic-Module haben eine maximale Belastung von 700 Milliampere pro Kanal. Wenn man wie ich Lampen mit 50 Milliampere verwendet, kann man leicht ausrechnen, wie viele man mit einem Kanal maximal schalten kann. Für die Blinkerschaltung dient die Platine von Conrad, zwar etwas zu groß, aber sie funktioniert gut. Als Fahrtregler kam das Modell von Wedico zum Einsatz. Das Wichtigste jedoch waren die Akkus. Davon wurden insgesamt zehn über das Modell verteilt: Acht Stück im Fahrerhaus und zwei unter dem Rahmen. Dabei kamen Zellen der Größe 2.700 Milliamperestunden zum Einsatz, was je nach Einsatz der Hydraulikpumpe für Fahrzeiten von zwei bis zweieinhalb Stunden reicht.

Mein Traummodell

Mein Traummodell ist der MAN F90 noch immer, und solange der Spaß noch so groß bleibt, wird sich auch nichts daran und an ihm ändern. Unter Umständen bekommt er einmal einen passenden Anhänger, oder einen neuen Abrollbehälter, mal sehen.

Im Laufe der Jahre wurde dennoch so einiges an diesem Modell verändert. Die Hydraulikpumpe zum Beispiel läuft mittlerweile mit einem Druck von 18 bar (hoffentlich liest Herr Stahl das nicht!), was sie jedoch bis heute schadlos überstanden hat, da sie meistens sowieso nur kurz im Einsatz ist. Auch die Schläuche und Ventile kommen gut mit dieser Beanspruchung zurecht, der Druck reicht in jedem Fall aus, um eine Mulde mit sieben Kilogramm Material locker aufzunehmen.

Auch der Original-Haken musste geändert werden. Mittlerweile besteht er aus VA-Stahl, da der Vorgänger mit so viel Gewicht nicht zurecht kam. In den letzten Jahren wurden auch die hinteren Rollen modifiziert: Der Durchmesser, und dadurch auch die Schräge, wurden vergrößert, so dass es einfacher geworden ist, die Mulden aufzunehmen. Dies war notwendig, da es im Gelände bei schräg gestelltem Fahrzeug nicht immer einfach war, die Mulde aufzunehmen; nun klappt es um ein Vielfaches besser. Das Getriebe wurde gegen eines von Wedico getauscht, da das ständige Wechseln der Zahnräder beim alten auf Dauer nur störte. Die Vorderachse hingegen läuft allen Befürchtungen zum Trotz bis heute noch wunderbar. Auch wenn viele Dinge so manchen Modellbauer stören würden, für mich zählt bei diesem Modell die große Flexibilität und der Spaß, den man mit dem MAN F90 auf jeden Fall hat.