Stilmix – Actros-Rahmen mit MB 1838-Fahrerhaus

Gelegenheit macht Liebe! Übertragen auf den Modellbau bedeutet das, dass einem die besten Ideen aus einem Zufall heraus in den Sinn kommen. Solch einer stand auch am Anfang meines 4x4 Mercedes, genauer: Mein Nachbar stand in der Tür. In seinen Händen hielt er einen CVD-Antrieb, der beim Ausschlachten eines RC-Geländewagens übriggeblieben war und für den er keine weitere Verwendung mehr hatte. Mir war schnell klar: Die Wellen des alten CVD-Antriebs und die Aluminium-Achsschenkel sollten die Grundlage für einen 4x4-Lkw bilden. Es blieb nur noch zu klären, welches Modell konkret realisiert werden sollte. Von einer Hamburger Firma, die Aufbauten für Lkw herstellt, hatte ich bereits einige Monate vorher Zeichnungen für ein Actros-Fahrgestell bekommen. Diese habe ich in einem Copyshop auf den Tamiya-Maßstab übertragen lassen. So waren die wichtigsten Unterlagen vorhanden. Nach dem Plan ergibt sich eine Rahmenlänge von 600 Millimeter (mm) und eine Rahmenbreite von 57 mm hinten, die sich in der Nähe des Kraftstofftanks auf 70 mm verbreitert. So ergibt sich nach dem Anbau des hinteren Unterfahrschutzes und der Montage des Fahrerhauses ein Gesamtlänge von 650 mm. Dem Tamiya-Maßstab entsprechend hat das Modell eine Breite von 180 mm und nach Aufbau der Karosserie kommt man auf eine Höhe von 240 mm. Da es bei Tamiya kein Actros-Fahrerhaus gibt, hatte ich vor, auf das Fahrgestell die Tamiya-Karosse vom Mercedes 1838 zu setzen. Der Masterplan für einen 4x4-­Mercedes-Lkw war gefasst. Rahmen Zuerst sollte der Rahmen entstehen. Ich kaufte dabei keine vorgefertigten und gebohrten Profile, sondern suchte sie mir bei Schlossereien und in Baumärkten zusammen. Ich erstand ein Eisen-U-Profil mit den Maßen 20 x 20 x 20 mm bei einer Stärke von 1,5 mm. Ich verwende gerne Eisen und Stahl statt Aluminium, hier kann man gegebenenfalls auch mal hart löten. Außerdem sind die notwendigen 2-mm-Gewinde-Löcher stabiler, zumal beim Bau die Teile öfter montiert und dann wieder demontiert werden müssen. In mühseliger Kleinarbeit wurde das Eisen-U-Profil auf 7 x 20 x 7 mm abgefeilt und entgratet. So waren die Längsträger als Rohmaterial schon mal da. Für die Quertäger fand ich auch noch ein passendes Profil aus der Restekiste, sodass dem Rahmenbau nichts mehr im Wege stand. Es wurden erst mal die Längsträger nach der erwähnten Zeichnung vorsichtig gebogen, damit sie hinten 57 und vorne 70 mm im zusammengeschraubten Zustand ergaben. Entsprechend dieser Maße wurde die hintere Quertraverse angefertigt. Aus Aluminium entstand für vorne ein Rahmenkopf, der die Tamiya-Stoßstange und die Karosserie tragen sollte. Damit sich dieses Gebilde im montierten Zustand bei den folgenden Bastelarbeiten nicht zu einem Parallelogramm verzieht, wurde an dem Platz, den ich für das Verteilergetriebe vorgesehen hatte, schon mal eine Aluminium-Platte angeschraubt. Nun wollten die geschenkten Teile endlich verarbeitet werden. Es ging an die Vorderachse, genauer gesagt, an die Anfertigung des Differenzials. Die Zahnräder – zwei Paar Kegel-Zahnräder 15 Zähnen und ein Kegel-Zahnrad-Paar 15/30 Zähne – erstand ich bei Conrad. Vorderachse Dann machte ich mich daran, den Kegelrad-Käfig für die kleinen Zahnräder zu drehen und entsprechend zu fräsen und zu bohren. Den Differenzial-Käfig habe ich aus dem Vollen aus Messing gefertigt. Nachdem das große Kegelrad auf dem Käfig hart verlötet war und ich die Zahnräder alle mit M3-Gewinde versehen hatte, konnte ich daran gehen, das Gehäuse zu bauen. Dieses entstand aus 1,5-mm-Blech und nach dem Bohren der Aufnahmen für die Bund-Kugellager und dem probeweisen Einbau aller Teile wurde es hart zusammengelötet, damit sich bei der weiteren Bearbeitung nichts verbiegen kann. Als Achsrohr nahm ich ein 15-mm-Messingrohr, die Gabeln für die Aufnahme der Achsschenkel waren schnell gebohrt und gebogen, sodass nun die Herstellung der Vorderräder anstand. Diese mussten nämlich jetzt zur Verfügung stehen, damit ich nach Montage der Räder an der Achswelle die Länge des Achsrohrs festlegen konnte und so am Ende die Spurweite der Vorderachse stimmt. Ich habe also die Achsrohrlänge ermittelt, die Länge der 4 mm starken Antriebswellen aus dem Differenzial, wobei ich im Achsrohr auf beiden Seiten neben einem weiteren Kugellager je ein zusätzliches Kardangelenk 10 x 23 mm unterbrachte, das an die entsprechend gekürzte CVD-Welle geschraubt wurde. Selbstverständlich sind alle Wellen bei der Klemmung mit Madenschrauben einseitig etwas abgeflacht. Das harte Anlöten der Achsrohre an das Gehäuse, das oben und unten mit Alu-Platten verschlossen ist, geschah auf der Drehbank, damit alle Teile fluchten. Bei der Endmontage des Differenzials verwendete ich keine Unterlegscheiben, sondern Wellensicherungs- beziehungsweise C-Ringe. Es erspart die Demontage bei der Beseitigung von zu viel Spiel und bei der richtigen Größe fallen sie auch nicht heraus. So war also meine erste angetriebene Vorderachse entstanden und mit ordentlich Schmiermittel versehen macht sie einen guten Job. Die Aufhängung dieser Achse ist entsprechend der Zeichnung an Längslenkern mit Luftbälgen gefedert. Ein Aluminiumstück nimmt an den Seiten den Längslenker und auf der oberen Seite das Luftbalg-Imitat auf. Das Stück ist 5 mm stark, mit 15 mm für die Achse gebohrt, halbiert und mit der Achse wieder zusammengeschraubt. Die obere Aufnahme des Luftbalgs besteht aus gebogenem und gelötetem 1-mm-Eisenblech und ist am Rahmen verschraubt. Hinterachse Die Hinterachse mit Differenzial entstand in ähnlicher Weise, jedoch habe ich dem Gehäuse eine ansehnlichere Gestalt gegeben. Die Aufhängung der Achse soll schließlich möglichst vorbildgetreu geschehen. Aus Messing fertigte ich die Achsträger, lötete Rundmaterial mit M5-Gewinde zur Aufnahme der Moosgummi-Luftbälge und fräste überstehendes Material ab, nachdem die Gewinde für die Stoßdämpfer-Halter geschnitten waren. Die Hinterachse wird zum einen an Längslenkern geführt, zum anderen von einem Dreieckslenker in der Mitte gehalten. Achsrohr-Länge und Länge der Abtriebswellen wurden wie bei der Vorderachse ermittelt. Im Achsrohr musste kein Kardangelenk platziert werden. Deshalb ist es nur 11 mm stark und besteht aus dem Rest eines Notenständers. Die Fixierung der Radnaben geschieht nach WEDICO-Art. Das Verteiler-Getriebe ist als Differenzial ausgeführt, jedoch beim Eingang nicht mit Kegel-Rädern sondern mit zwei Stirn-Zahnrädern – 1:1 Übersetzug – da der Abtrieb in der gleichen Flucht mit der Antriebswelle liegt. So kann dieses Verteilergetriebe den Drehzahlunterschied der Vorder- und Hinterräder bei Kurvenfahrt ausgleichen. Seinen Platz hat das Verteilergetriebe unter dem Alu-Blech gefunden. Platzfindung Nun folgte nach dem Bau der Achsen und des Verteilergetriebes die Festlegung der Einbauplätze. Die Vorderachse hat den gleichen Abstand zum Rahmenkopf, wie es bei Tamiya auf dem Einheitsfahrgestell üblich ist. Es passen fast alle Fahrerhäuser drauf. Mein Bauplan zeigt ein Fahrgestell für eine Wechselbrücke. Das bedeutet, dass ein kurzer Radstand mit langem Überhang dargestellt ist. Da ich mich inzwischen für einen Kipper entschieden habe, musste ich den Radstand verändern. So versetzte ich die Hinterachse um 40 mm nach hinten und habe nun für den Kippaufbau nicht mehr das lange Heck. Nach dem Einbau der Hinterachse habe ich nun einen Radstand von 400 mm. Als Nächstes waren die ­Anbau­teile zu ­fertigen. Die Heckleuchten vom robbe-­Cargo-Programm finden in aus 1-mm-Blech gebogenen Gehäusen Platz, die mit 6-mm-Messing Röhrchen und quadra­tischen Blechen verlötet sind, um am Halter für den Unterfahrschutz angeschraubt zu werden. Durch die MS-Röhrchen werden die Kabel von den LED geführt. Aus noch vertretbar grob profiliertem 1-mm-Riffel-Alu-Blech wurden die Kotflügel gebogen. Mit ausgesägtem 2-mm-Alu-Blech und mit Epoxidkleber versehen entstand dann die Bördelung. Die Kotflügel-Halter sind nach alter Manier gemacht: Also durch den Rahmen geführt und in MS-Röhrchen fixiert. Der Reserverad-Halter ist schnell gebogen und gebohrt. Zudem nimmt es bestimmungsgemäß das Ersatzrad auf. Der Batteriekasten macht seinem Namen alle Ehre und nimmt drei Akku-Zellen auf und hält unten die Luftdruckbehälter. Er besteht aus ABS-Material und wird von zwei Aluminiumwinkeln getragen. Der ­Auspuff-Topf ist aus Holz mit blankem Büchsenblech verkleidet und farblos lackiert. Die vordere Alu-Platte schmückt ein Mercedes-Stern von Bruder. Der Tank ist aus Holz und hat fünf Akku-Zellen zum Inhalt. Entsprechend musste er dimensioniert werden. Drei Alu-Winkel mit Spannbändern halten ihn an seinem Platz. Antrieb Nachdem die Anbauteile am Rahmen mit M2-Schrauben befestigt waren, musste man an den Antrieb denken. Über der Vorderachse befindet sich ein mit 1:18 untersetzter Conrad-Getriebe-Motor. Bei dieser Getriebe-Untersetzung und einem Untersetzungsverhältnis von 1:2 an den Achsen wird der 4x4 sicher kein Renn­wagen sein, hat jedoch eine für diesen Maßstab realitätsähnliche Geschwindigkeit und ein ganz ordentliches Drehmoment. Die Verbindung der Antriebskomponenten mit den ent­sprechenden Wellen war dann auch schnell erledigt. Die acht Zellen der Akkus reichten für diese Konfiguration aber nicht ganz aus. Zwei zusätzliche mussten noch im Modell untergebracht werden. Da im Batteriekasten aber kein Platz mehr ist, verbaute ich eine Box zwischen den Sitzen im Fahrerhaus – damit waren die 12 Volt für den Antrieb verfügbar. Zwei Thor-Regler und ein Servonaut-Empfänger vom Getriebedoktor übernehmen die Beherrschung von Volt und Ampere. Die Regler sind unter der RC-Platte im Fahrerhaus angebracht. Einer sorgt für den Antrieb des Lkw, der andere ist für die Kippvorrichtung vorgesehen. Gelenkt wird mit einem 7-Kilogramm-Servo, den ich vor der Vorderachse montierte. Beim Fahren soll der Lkw natürlich auch auffallen. Deshalb habe ich in der Stoßstange Lampen aus LED eingebaut, die von einem Conrad-Memory-Schalt-Baustein gesteuert werden. Brems- und Rückfahrlicht steuern ebenfalls die Bausteine von Conrad. Mit Ausnahme der Regler sind die RC-Komponenten im Fahrerhaus hinter den Sitzen untergebracht. Der Regler für die Kippmechanik wird über einen Schiebeschalter am Sender aktiviert und betätigt einen Spindelmotor. Dieser stammt ebenfalls von Conrad und ist im Verhältnis 50:1 untersetzt. Er dreht eine Spindel, bestehend aus einer 6-mm-V2A-Gewindestange, die über eine 15 mm lange Gewinde-Buchse die Drehbewegung in eine lineare umwandelt. 15 mm habe ich gewählt, damit sich unter Last die Beanspruchung des Gewindes in Grenzen hält. Kniegelenke wie sie im Handel erhältlich sind, bevorzuge ich nicht. Ich baue mir einen kostengünstigen Direktantrieb für das Hebel-Hebe-Werk. Besonderen Wert habe ich bei der Konstruktion des Hebel-Mechanismus darauf gelegt, dass beim Hebevorgang der Mulde der Hebe-Hebel gedrückt wird. So kann die Kraft von der Spindel auf das Gehäuse des Motors abgeleitet ­werden. Andernfalls zieht die Spindel über die Getriebe-Ausgangswelle am letzten Zahnrad des Getriebes und verursacht erhöhten Verschleiß. Bei Erreichen der Ruhestellung der Mulde schaltet ein Endabschalter den Motor ab und verhindert ein Fressen der Gewindebuchse auf der Spindel. Der Kippvorgang wird dadurch beendet, dass die Spindel leer läuft, da ich das Gewinde ab einer definierten Stelle abgedreht habe. Wie üblich hat meine Kippmulde eine Klappen-Verriegelung, die über ein Drahtgestänge bei Kontakt mit dem Hilfsrahmen die Sperrwirkung auslöst. Insgesamt ist ein ansprechender Truck mit vielen vorbildähnlichen Funktionen entstanden, der einen hohen Spielwert besitzt und auch optisch einiges her macht. Das fehlende Actros-Fahrerhaus war am Anfang vielleicht ein kleiner Wermutstropfen, aber die Karosserie vom Mercedes 1838 macht eine mindestens genauso gute Figur.